Freitag, 9. März 2018

Buchrezension: Hannah Kent - Wo drei Flüsse sich kreuzen

Hannah Kent

Wo drei Flüsse sich kreuzen


Inhalt:

Irland 1825: Die 14-jährige Mary soll der verwitweten Bäuerin Nora mit deren schwer behindertem Enkel Michael zur Hand gehen. Der kleine Junge, so munkelt man im Dorf, sei ein Wechselbalg, ein Feenkind, und mache die Kühe krank. Mary gibt nichts auf das Gerede, doch als Nora davon hört, reift in der einsamen, verzweifelten Frau eine ungeheuerliche Idee: Wenn es ihr gelingt, den Wechselbalg zu vertreiben, würde sie den gesunden Michael wiederbekommen und endlich wieder eine echte Familie haben. Getrieben von Angst und Aberglaube und unterstützt durch die geheimnisvolle Kräuterfrau Nance ist sie bald bereit, alles zu versuchen – und Mary fällt es immer schwerer, sich gegen die beiden Frauen durchzusetzen.

Rezension: 

Der Roman handelt in einem irischen Tal von November 1825 bis März 1826. 
Nóra hat vor Kurzem erst den Tod ihrer Tochter Johanna verkraften müssen, als ihr Mann überraschend an einer Herzattacke stirbt. Sie ist nun allein mit ihrem Enkel Micheál, um den sich ihr Mann bislang überwiegend gekümmert hat, nachdem der Schwiegersohn nicht für das unterentwickelte Kind sorgen wollte. 
Micheál ist vier Jahre alt, kann sich aber nicht artikulieren und seine Beine nicht bewegen. Nóra empfindet den "Krüppel" als Last, versteckt ihn, und heuert auf dem Markt die 14-jährige Magd Mary an, die sich um das Kind kümmern soll. 

Mary macht sich Sorgen um das Kind und wie es von Nóra behandelt wird. So hatte sie mit Hilfe von Brennnesseln versucht seine Beine zum Gehen zu bewegen. Als sie dann glaubt, dass es sich um ein Wechselbalg handeln könnte, dass ihr vom Feenvolk im Austausch gegen ihren Enkel untergeschoben wurde, wendet sie sich an die Heilerin Nance Roche. Diese unterstützt Nóra in dem Glauben, dass es sich bei Micheál um ein Feenkind handelt und versucht die Fee zunächst mit verschiedenen auszutreiben, bis die Frauen zum Äußersten gehen und das Kind im eiskalten Fluss ertränken. 

Nach "Das Seelenhaus" hat Hannah Kent wieder einen Roman geschrieben, der Anfang des 19. Jahrhunderts handelt und auf wahren historischen Ereignissen basiert. Es spielt in einer Zeit und an einem Ort, in welchem Aberglaube, Mythen und Traditionen eine große Rolle spielen, um sich manche Begebenheiten zu erklären. 
Der Roman ist atmosphärisch geschrieben, so dass man sich als Leser in das kalte, von Armut geprägte irische Tal hineinversetzt fühlt. "Wo drei Flüsse sich kreuzen" ist wie ein Schauermärchen. Es ist schier unglaublich zu lesen, was Menschen aus Hilflosigkeit und Aberglauben einem kleinen Kind antun, um in einer Art Exorzismus das Böse aus ihm auszutreiben. Sehr eindringlich ist beschrieben, wie der arme, wehrlose Junge von seiner Großmutter und der vermeintlichen Heilerin gequält wird bis er letztlich stirbt und Nóra Leahy sowie Nance Roche des Mordes angeklagt werden. 

Es ist eine beklemmende Geschichte über Traditionen und Mythen, an denen sich arme Menschen festhalten, um Erklärungen für die Dinge zu finden, die sie nicht kennen und für die sie sich schämen. 
Der Roman ist besonnen, aber durchaus brutal erzählt und fesselt bis zum traurigen Ende. 



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen